Samstag, 24. August 2013

Die Kinder dieses Landes

Heute wurde ich zu einer Familie gerufen, die einen Notfall hatte. Während ich einige Stunden mit ihrem vier Monate altem Sohn unterwegs war, passierte etwas wirklich Erstaunliches. Vielleicht ist “erstaunlich” nicht das richtige Wort. Es ist eher ein Platzhalter für etwas, für das ich noch nicht die richtigen Worte finde.

Ich lief mit dem Kinderwagen vor mir durch das Viertel. An einer Kirche blieb ich stehen und setzte mich in eine Bushaltestelle. Während ich das kleine süße schlafende Baby im Wagen hin und her schob, knallte etwas von außen gegen die Werbewand des kleinen Wartehäuschens. Um mich herum standen einige ältere Damen, die sich ebenso erschrocken hatten. Da kam auch schon ein kleiner afrikanischer Junge vorbei. Er setzte sich neben mich. Soweit alles normal – doch jetzt kommt der verrückte Teil:

 

Er saß neben mir auf der Bank und schlug mit der Hand immer wieder auf das Verdeck des Kinderwagens. Meine Gedanken galten zunächst dem schlafenden Baby. Ich konnte diese Handlung nicht einordnen. Doch als ich in das Gesicht des Jungen sah, war es schmerzerfüllt. Er sah mich mit großen Augen an, rieb sich den Kopf, und ich sah eine Platzwunde an seinem Arm. Da war klar: er war es, der gegen die Wand geknallt war.

Seine Mutter, die auch in das Häuschen gekommen war, hatte seinen kleinen Bruder an der Hand. Ich dachte, dass sie vielleicht nicht gesehen habe, was passiert war. Der Junge, der höchstens sechs war, rieb sich noch immer den Kopf und verwandte seine ganze Kraft darauf, nicht zu weinen. Immer wieder rieb er mit der einen Hand über die Augen, während die andere den Kopf hielt. Ich überlegte die Mutter auf ihn aufmerksam zu machen. Ich hätte ihr die Hand auf den Arm legen und mitfühlend sagen können, dass ihr Sohn sich verletzt hätte. Ob sie überhaupt deutsch sprach? Schnell überlegen was ich in Englisch sagen würde…

Da holte die Mutter aus, und spuckte auf den Boden. Bei dem Geräusch, das sie zuvor machte, zuckte der kleine Junge neben mir zusammen und sprang auf. Wenige Meter von uns entfernt blieb er stehen um zu sehen, wohin seine Mutter gespuckt hatte. Er war wie ein Hund, der jault sobald jemand die Hand hebt, weil er Angst hat geschlagen zu werden. Die Szene stach mir mitten ins Herz.

Er setzte sich wieder. Ich sah in den Kinderwagen. Das Baby schlief. Ich sah den Jungen an. Seine Mutter strich seinem Bruder über den Kopf, weil dieser kurz das Gleichgewicht verloren hatte und gegen die Rückwand des Glashauses gekippt war. Den älteren Sohn hingegen ignorierte sie weiter, sagte etwas in ihrer afrikanischen Sprache und schmuste weiter mit ihrem Jüngsten. Was bitte ging hier vor?!?!?! “Du hast dir ganz schön weh getan, oder?”, fragte ich den Jungen und hätte ihn am liebsten in den Arm genommen. Noch immer spannte er jeden Muskel im Gesicht an, um nicht zu weinen. Seine Mutter sah mich an und drehte dann ihren Kopf wieder weg. Wenn ich doch nur etwas hätte tun können. Der kleine Junge rutschte langsam immer näher an mich heran. Normalerweise hätte ich jetzt reagiert, doch ich wartete ab. Vorsichtig lehnte er seinen Kopf an meinen Arm und blieb so sitzen.

Etwas Besonderes geschah in diesem Moment. Dieser fremde Junge lehnte sich an, weil er Trost brauchte. Seine großen braunen Augen sahen mich an. Als der Bus kam, stieg die kleine Familie ein. Mein letzter Gedanke war, dass ich hätte mehr tun sollen.

Eine außergewöhnliche Szene, die schwer zu beschreiben ist. Wie viele Kinder erleben in Deutschland gerade Schmerzen? Sind traurig, einsam, allein gelassen oder verletzt und bräuchten dringend Hilfe, eine Schulter zum anlehnen oder eine schlichte Umarmung, die ihnen zeigt, dass sie geliebt sind – egal was andere Erwachsene ihnen sagen. Wir sollten aufmerksamer sein wenn wir durch die Straßen gehen. Denn es sind nicht nur die Kinder in anderen Ländern, die unsere Hilfe brauchen…

Montag, 1. April 2013

(Mitfahr)- Gelegenheiten

Ich bin so begeistert über das was ich erlebt hab – das MUSS ich teilen!! Die letzte Woche hab ich mit meinen besten Freundinnen an der Nordsee verbracht. Wir hatten ein tolles Ferienhaus gemietet, direkt am Meer. Während die Eine aus dem Süden per Flugzeug in den Norden reiste, machte ich mich in meinem Auto auf den Weg gen Hamburg. Not macht bekanntlich erfinderisch, und so setzte ich die Fahrt ins Internet, um jemand mitzunehmen. Am Ende war es ein 14- jähriger Junge, der zu seinem Vater wollte, und eine junge Frau, die ihre Eltern in Hamburg besuchen wollte. Während in meinem Umfeld die Meinungen über solch eine geteilte Fahrt auseinander gingen, war ich gespannt auf die beiden Mitfahrer und die Fahrt, die vor uns lag. Und weil es eine gute und entspannte Fahrt war, setzte ich die Rückfahrt auch gleich ein, und wartete auf Menschen, die aus dem Norden in den Westen fahren wollten. Mir war klar, dass es nicht allzu viele Leute sind, die Ostersamstag reisen wollen. Die meisten wollen schon Karfreitag bei ihren Lieben sein. Der Junge sollte wieder mit zurück reisen, und auch der zweite Platz wurde spontan noch besetzt. Eine Frau sollte mit. Die Fahrt hatte ihre Freundin organisiert, weil die Mitfahrerin kein Deutsch konnte. Ich wusste weder wie sie heißt, noch wie sie aussieht. Klar war nur, dass wir uns am Hamburger Hauptbahnhof treffen wollten. Nicht gerade der kleinste und überschaubarste Platz unter der Sonne. Ich muss zugeben, dass es dort ziemlich voll war. Auf dem Weg dorthin betete ich, dass ich die Frau schnell finden würde. Ich machte mir ein bisschen Sorgen, ob ich sie finden würde, wie gut wir aus Hamburg wegkämen, ob die Autobahnen nicht voll sein würden an diesem Osterwochenende und so weiter. Dazu kommt, dass ich bei langen Autofahrten immer schnell müde werde. Ich brauchte also Ablenkung. Außerdem hatte ich gar keine Lust nach Hause zu fahren, weil meine Familie das erste Mal in meinem Leben nicht da sein würde wenn Ostern war, und ich die Ostertage allein verbringen würde. Wenn Ostern aber der größte Feiertag im Jahr ist – abgesehen von Weihnachten – und das eigentlich für dich ein Familienfest ist, dann ist das eine trostlose Vorstellung. All das hab ich beim Beten Gott genannt und wartete darauf, dass er alles gut machen würde.

Als ich am Bahnhof ankam, parkte ich genau dort, wo der Junge mit seinem Vater wartete. Ich stieg aus, lief um mein Auto und stand plötzlich vor einer afrikanischen Frau. Sie sah mich an und fragte: “Are you Rebekka?” Ich war begeistert – ohne sie überhaupt zu suchen, stand sie genau vor mir. Die Reise konnte beginnen, alles Gepäck war im Auto und es ging auf die Autobahn. Während um uns herum auf der Gegenfahrbahn ein Massenunfall war mit viel Polizei und Krankenwagen, fuhren wir auf freier Strecke immer weiter gen Heimat. Die junge Frau und ich kamen ins Gespräch und unterhielten uns über ihre Heimat Kenia, das Leben dort, die kulturellen Unterschiede zu Canada, wo sie momentan lebt, und über die Deutschen. Es war unheimlich spannend von dem Leben in ihrem Heimatdorf zu erfahren, zu hören, wie sie mit ihrer Familie Kontakt hält, und was für ein Unterschied es ist, wenn sie für ein paar Monate zu Besuch im elterlichen Dorf irgendwo in Kenia ist. Und weil das alles so spannend war, wurde ich gar nicht so schnell müde wie sonst.

Nach einer Weile hatte ich keine Lust mehr auf das Geplänkel aus dem Radio, und schaltete auf CD um. Dort lief JesusCulture, eine amerikanische Band. Ich war ein bisschen skeptisch, ob es für die beiden Mitfahrer okay sei, wenn sie christliche Musik hören würden. Der Junge verstand eh kein Englisch – da war ich entspannt. Und nachdem wir die Musik einige Zeit gehört hatten, fragte ich sie, ob es okay sei, wenn wir diese Art der Musik hören. “Sure”, sagte sie, und erzählte, dass sie kein Christ im Sinne der Sonntagschristen sei, die immer nur dann ihren Glauben rausholen, wenn sie in der Kirche sind. Sie erzählte, dass ihr am Glauben besonders die persönliche Beziehung zu Gott wichtig sei und dass er mehr Freund sei als weit entfernter Gott. Ich hab lachen müssen, bis ich ihr erklärt hatte, wie ähnlich wir dabei denken… Wir hatten coole Gespräche über Gott und die Welt, über unsere Erfahrungen mit Gott, unsere Zweifel und Bedenken was Kirche angeht und unser Leben… es war die coolste Autofahrt meines Lebens. Warum? Gott wusste genau, dass ich super schnell müde werden würde, und stellte mir eine Frau an die Seite, die nicht nur meine Überzeugungen mit mir teilt, sondern auch spannende Dinge aus ihrem Leben zu erzählen hatte. Ich lernte etwas über ihre Kultur und das Leben in Kenia, über ihre Erfahrungen mit Gott und Kirche auf der ganzen Welt, und konnte mit ihr angeregt über alles mögliche quatschen.

Während wir fuhren und es mit der Zeit doch immer länger und anstrengender wurde, veränderte sich noch etwas: ich hatte keine Angst mehr vor Ostern. Ich wusste, dass egal wie ich diese Tage verbringen würde, Gott für mich sorgen würde. Ob allein oder mit anderen Menschen – er würde mich versorgen, so wie er die Autofahrt perfekt geplant hatte. Er hatte mir Menschen an die Seite gestellt, mit denen ich angeregt und interessant quatschen konnte, und sorgte für genug Unterhaltung, damit ich nicht am Steuer einschlafe. Stattdessen freute ich mich wahnsinnig auf mein Bett und mein zu Hause, hatte eine neue Freundin kennengelernt. Ich war super fröhlich und fühlte mich unfassbar beschenkt.

Mein Ostern übrigens war super cool: ich hab Zeit mit einer befreundeten Familie verbracht, wurde zum Mittagessen eingeladen, war mit einer Freundin unterwegs und hatte viel Zeit für mich und konnte lauter schöne Dinge machen – ein perfektes Ostern. Mein Fazit? Nicht mehr so viele Sorgen machen – Gott versorgt. Und zweitens? Die nächste Fahrt stelle ich wieder ins Netz.

Freitag, 28. Dezember 2012

Zwischen - Zeit

Zwischen den Jahren, das sind die Tage, die zwischen Weihnachten und Neujahr liegen. Die Einen sind froh Weihnachten endlich überstanden zu haben, andere ruhen sich aus und rüsten sich für die größte Party des Jahres. Diese Zwischenzeit ist aber auch die Zeit im Jahr, in der die meisten von uns zur Besinnung kommen, nach all dem Weihnachtsstress zur Ruhe kommen, und sich fragen, was sie im vergangenen Jahr erlebt haben. Welche Ziele habe ich erreicht? Wofür bin ich dankbar? Wenn wir das nicht wissen, ist es schwer neue Ziele für das nächste Jahr festzulegen. Erst gilt es sich bewusst zu machen, was bereits erreicht wurde.

Der Film “eat pray love” geht auf dieses Thema wie noch kein Film, den ich bisher gesehen habe, ein. Julia Roberts, die als Hauptdarstellerin zu sehen ist, macht sich auf die Suche nach innerem Frieden und dem Einen, der ihre Sehnsucht stillen kann. Sie verspürt Sehnsucht nach mehr, nach Erfüllung und Glück. Dabei lernt sie etwas ganz Wesentliches: einzelne Momente zu genießen und diese mit allen Sinnen zu erleben. Deshalb liebe ich diesen Film. Er weckt in mir die Sehnsucht, mein Leben ebenfalls mit jedem Sinn zu genießen und mich auf die Suche nach MEHR zu machen!

Ich bin davon überzeugt, dass es noch viel mehr im Leben gibt, das Gott für uns vorbereitet hat. Viel mehr Träume, die keine bleiben müssen. Wozu sind Träume sonst da? Sie sind dazu da, um gelebt zu werden, um Realität zu werden, um uns zu motivieren und dieses “mehr” zu erleben! Ich glaube nicht, dass wir uns als Ziel stecken sollten, mit 80 unseren Lebenstraum in Erfüllung gehen zu sehen- den Lebenstraum zu leben kann schon heute geschehen. Dafür müssen wir alten Ballast loswerden, ausmisten und Dinge loslassen, um uns nach mehr auszustrecken und den Raum zu haben, diesen mit Neuem füllen zu können.

Dafür ist diese Zwischenzeit zwischen den Jahren perfekt. Altes kann losgelassen werden, während wir uns auf das Neue vorbereiten können. Ob in der Wohnung auszumisten oder die eigene Seele zu erleichtern – das liegt manchmal näher beieinander als wir denken.

2013 wird mein Jahr – genau mit diesem Gedanken sollten wir ins neue Jahr gehen, weil es noch viel, viel besser wird!!